Ich gebe zu: Bei Begriffen wie Overload, Meltdown oder Shutdown sehe ich als erstes Bilder von Vulkanausbrüchen aus Katastrophenfilm XY (you name it) vor meinem geistigen Äuglein, in dem mal wieder nur eine einzige Person (!) über das Spezialwissen verfügt, um die Welt zu retten. Natürlich hat ihr niemand geglaubt und sie wurde für verrückt erklärt. Aus Wut über die ignoranten Mitmenschen zieht sie sich dann enttäuscht in die Antarktis zurück und spricht nur noch mit Pinguinen.
Nun. Über Pinguine spricht in Schattenspringer 3 zwar niemand, aber einen natürlichen Erzfeind haben unser verkannter Katastrophenspezialist und ein Autist tatsächlich gemeinsam. Nein, nicht der Vulkan! Viel schlimmer: Ignorante Mitmenschen! (Hier klicken für Soundeffekt oder sich kurz denken).
Und noch schlimmer kommt es, wenn der auch noch dein Klassenlehrer, Kinderarzt oder - schluck! - die eigene Mutter ist. Quasi der Endgegner. Zumindest, was die Zeit als Kind angeht. Denn die gestaltet sich besonders trostlos, wenn du nicht weißt, was mit dir los ist und dann auch noch Mutter, Klassenlehrer und die Klassenkameraden nicht müde werden, dich auf deine vermeintliche Schrägheit hinzuweisen. Woher ich das alles weiß? Na, von Ben, Melanie, Katrin und noch einigen mehr! Denn im dritten Band erzählt Daniela nicht selbst, sondern hört sich die Geschichten anderer Autisten an.
Und die haben es tatsächlich in sich. Wenn ein Kind mehrmals die Schulklasse wechselt, um endlich in Ruhe lernen zu können oder sich in der Schulpause unter dem Treppenhaus versteckt, um nicht wahnsinnig zu werden in der großen Pause und dann noch von Lehrern gegängelt wird... Puh. Das macht einen wirklich traurig. Und wütend. Meine einzige Hoffnung ist ja, dass das vor über zehn Jahren noch hauptsächlich auf Unwissenheit zurückzuführen war und sich das heutzutage vielleicht - hoffentlich! - gebessert hat.
Aber auch im Studium und Arbeitsleben treffen Autisten offensichtlich oft auf Unverständnis. Gut, dass das Wort „Gruppenarbeit“ Schweißausbrüche auslösen kann, kann auch ich nachvollziehen, aber wenn jemand nicht weiß, wie er/sie sich in der Mittagspause verhalten soll und erstmal wochenland die Kollegen beobachtet, das ist schon ein Umstand, in den man sich erstmal reinfühlen muss. Aber dass hier Autisten ihre Geschichte erzählen, hilft so ungemein! Denn wie wir alle wissen: Unwissenheit ist leicht aus der Welt zu schaffen. Also, unbedingt lesen. Und dann weitergeben!
PS: Ich glaube ja, dass der ignorante Mitmensch in Wahrheit der heimliche Erzfeind von Autistic Hero Girl ist. Er ist grau in grau gekleidet (bunte Farben mag er nicht), hat immer eine Augenbraue verächtlich hochgezogen und seine Sidekicks, zwei Höllenhunde, heißen Unwissen und Intoleranz. Unwissen kann man mit leckeren Keksen und einem Comic ködern, bei Intoleranz ist (noch) etwas Ausdauer gefragt. Aber das kriegen wir auch noch hin.
Verlag: Panini
Von: Daniela Schreiter
Inhalt: 160 Seiten
Release: August 2018
Preis: 20,00 Euro